Der Vater



Mein Vater Paul Eitelfritz Oskar Hubertus von Steegen Wilknitt


°   wurde  am 19. November 1907 in Klein Steegen geboren
°   übernahm  das Gut Wilknitt am 19. November 1930
°   heiratete am 09. Oktober 1935 Vera Baronesse von Stackelberg
°   hatte zwei Töchter (1936, 1940) und einen Sohn (1939)
°   fiel in Stalingrad am 25.01.1943

Hubertus von Steegen wurde von einem Hauslehrer auf dem Gut Klein Steegen unterrichtet, besuchte dann das Wilhelmsgymnasium in Königsberg/Preußen. Nach dem Abitur (28.09.1926) war er Eleve in Quittainen (Preußisch Holland) bei den Grafen Dönhoff (1926/1927). Er studierte Jura in Königsberg.

Er übernahm das Majoratsgut Wilknitt (Kreis Heiligenbeil) als Fideikommiss, das seit 1896 im Familienbesitz war.

Hubertus von Steegen war heiter, lebensfroh, großzügig, ritterlich, gastfreundlich, elegant. Er war stolz, streng, standesbewusst, aristokratisch. Anstand und Ehre bedeuteten ihm viel. Seiner Bibliothek widmete er viel Zeit und Sorgfalt, 'jedes schöne Buch', schreibt er, 'war mir ein Freund'. Er liebte die Natur, sammelte Insekten und Vogeleier, war ein Sammler und Fachmann für Stilmöbel, und ein Automobilnarr. Er fuhr einen Achtzylinder-BMW, der dann viele Kriegsjahre aufgebockt im Kutschenhaus stand, weil man die Reifen als Kriegsbedarf eingezogen hatte.

Er war ein passionierter Reiter. Seine Wilknitter Trakehner Reitstute hieß 'Feldblume', sie ging auch, wie die übrigen Reitpferde, ein- und zweispännig als Kutschpferd. Land- und Forstwirtschaft lagen ihm, er blieb keinen Rat schuldig in seinen ausführlichen Feldpostbriefen, sei es über Dränagen, Zufütterung, Milchquoten, Traktoren-PS, Düngemittel oder das Einschlagen von Grubenholz. Er jagte gern. Noch in den letzten Tagen seines Lebens schrieb er seinem kleinen Sohn einen langen Brief, was der später tun müsse, um im Leben alles richtig zu machen.

Hubertus von Steegen wollte Reserveoffizier werden. Dieser Wunsch gehörte zu seinem Selbstverständnis. Für einen preußischen Adligen war es Tradition und Pflicht, Reserveoffizier zu werden. Der Nationalsozialismus war ihm unheimlich, Hitler hielt er für ein 'dämonisches Genie', wie er per Feldpost schrieb. 1936 machte Hubertus von Steegen die erste von vier Wehrübungen, am 26.8.1939 musste er in den Krieg. Er diente bei der reitenden Artillerie, weil er passionierter Reiter war. Am liebsten wäre er zur Kavallerie gegangen, die Kavallerie gab es aber nicht mehr.

Am 1.10.1939 wurde er Leutnant der Reserve, am 1.8.1942 Oberleutnant. Er machte den Polenfeldzug mit, diente in Frankreich, kämpfte in Russland, wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet (23.07.1941). Sein Pferd ‚Nachtschwärmer' trug ihn 4.600 Kilometer durch Russland. Zuletzt, in Stalingrad, war er Ic im Stab der 24. Panzerdivision. Als die 6. Armee zerschlagen war, hat er  versucht, aus den Kessel auszubrechen, weil er sich nicht gefangennehmen lassen wollte. Der Versuch misslang, die Gruppe wurde am 25.1.43 von sowjetischen Truppen gefasst, Hubertus von Steegen und die anderen Offiziere wurden erschossen, die Übrigen gefangengenommen. Als er fiel, war er 36 Jahre alt.

Hubertus von Steegen wurde nachträglich zum Hauptmann der Reserve befördert, erhielt das Eiserne Kreuz Erster Klasse.

Seine Familie und das Gut Wilknitt hat er nach dem 26.8.1939 nur kurz, anläßlich zweier Fronturlaube, wiedergesehen.


Ich habe wenige Erinnerungen an meinen Vater. Zu Weihnachten 1940 war er kurz zu Hause, ich habe ihn nur als flüchtigen Schatten im Gedächtnis, der im Türrahmen stand. Auch im November 1941 hatte er Fronturlaub, ich erinnere mich, dass er mir zeigte, wie man Flusskrebse aus der Uferböschung zieht. Damals war ich zweieinhalb. Alles, was ich über ihn berichte, weiß ich aus Erzählungen meiner Mutter, aus Korrespondenzen, von Verwandten, von Diesen und Jenen. Ich habe seine Kriegsbriefe gelesen, die er an meine Mutter geschrieben hat, mit Bleistift, auf Meldezetteln, auf dünnem Feldpostpapier. Deshalb weiß ich viel über ihn und blicke ihm ins Herz, mehr wohl, als es zu Lebzeiten zwischen Vater und Sohn möglich geworden wäre.


Ich habe ein waches und liebevolles Bild von ihm.