Berichte und Fotos aus alter Zeit
Berichte und Fotos aus alter Zeit

Diese Seiten sollen an das Gut Wilknitt erinnern, das 1945 untergegangen ist. Sie berichten über eine Familien- und Landkultur, die verloren ist, sollen ein Beispiel sein für ein Stück ostpreußischer Geschichte, das der zweite Weltkrieg ausgelöscht hat. Ich stamme aus Wilknitt, habe das Gut in meiner kindlichen Erinnerung, hänge an Wilknitt.

 

 

Gedenkstein an Fritz von Steegen
Gedenkstein an Fritz von Steegen

Ostpreußen,

Regierungsbezirk Königsberg,

Landkreis Heiligenbeil,

Landgemeinde Wilknitt und Bartken im Kirchspiel Eichholz

 

 

In seinem Ursprung umschreibt der Begriff Natangen eine historische prußische Landschaft. Der Name soll sich von ‚Natango' herleiten, einem der Söhne des mythischen prußischen Herrschers Waidewud (Simon Grunau). In neuerer Zeit verstand man unter Natangen große Teile der ostpreußischen Landkreise Preußisch Eylau und Heiligenbeil, ebenso kleinere Randgebiete der angrenzenden Landkreise Friedland, Gerdauen, Rastenburg und Wehlau.

 

Vom Gut Wilknitt lebten neunzehn Familien, es waren etwa vierzig Arbeitskräfte ständig beschäftigt. Sie wohnten in Häusern, die dem Gut gehörten, ein wichtiger Teil ihres Lohnes waren fünf Hektar Deputatland, sie hielten eigenes Vieh mit Weiderecht, hatten Anspruch auf Zuwendungen an Getreide, Kartoffeln, Fleisch, Milch, Holz oder Kohlen.

 

Wilknitt definierte sich als Rittergut.

 

Dieser Begriff stammt aus der Ordenszeit.

 

Der Orden vergab damals Land nach dem Kölmischen (Kulmer) und Magdeburger Recht.

 

Kölmisches Recht bedeutete, dass der Lehensnehmer seinen Besitz nur männlichen Nachkommen hinterlassen durfte. Hatte er keine, fiel das Lehen an den Orden zurück. Der Lehensnehmer war verpflichtet, dem Orden im Kriegsfall leichte Reiter zu stellen.

 

Magdeburger Recht hieß, dass der Lehensnehmer seinen Besitz sowohl männlichen wie weiblichen Nachkommen hinterlassen durfte, und dass er in seinem Gutsbezirk das Gerichtsrecht besaß. Im Krieg war er verpflichtet, dem Orden schwere Reiter (Ritter) zu stellen, (Reiter und Roß gepanzert und in Waffen). Aus diesem alten Magdeburger Recht erklärt sich die Definition 'Rittergut'.

 

Das Gut Wilknitt wurde meinem Vater, Hubertus von Steegen, als Fideikommiss übergeben.

 

Die Familienfideikommisse wurden zum Erhalt des Familienvermögens adeliger Familien über Generationen hinweg gestiftet. Es konnten nur solche Gegenstände dem Familienfideikommiss gewidmet werden, mit denen Ackerbau und Viehzucht verbunden war und die keiner Grundherrschaft unterworfen waren. Herrenhäuser und ähnliche Gebäude konnten dem Familienfideikommiss zugerechnet werden, auch Familienarchive und Bibliotheken. So waren ostpreußische Schlösser, Burgen und Herrensitze mit den dazugehörigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben oft in Familienfideikommissen gebunden. Ein Familienfideikommiss war durch privates Rechtsgeschäft gebundenes Sondervermögen, das grundsätzlich unveräußerlich und unbelastbar war, von bestimmten Familienmitgliedern nacheinander in einer von vornherein festgelegten Folgeordnung genutzt wurde, und dazu bestimmt war, die wirtschaftliche Kraft und das soziale Ansehen einer Familie dauernd zu erhalten. Die Fideikommisse verdankten ihre Entstehung dem Wunsch der grundbesitzenden Familien, insbesondere des Adels, ihren Besitzstand geschlossen zu erhalten.

 

Unter einem Familienfideikommiss wurde eine Anordnung des Erblassers verstanden, kraft derer ein Teil des Nachlasses vom Rest mit der Wirkung ausgesondert wird, dass der ausgesonderte Teil rechtlich in ein Ober- und ein Nutzungseigentum aufgespalten wird. Das Nutzungseigentum stand immer nur einem Familienmitglied zu. Die Familie als Ganzes behielt das Obereigentum. Demnach war derjenige, der aus dem Familienfideikommiss begünstigt worden war, weder zur Verfügung noch zur Belastung des Eigentums befugt (gebundenes Vermögen). Der aus dem Familienfideikommiss Begünstigte konnte über sein Nutzungseigentum auch nicht frei von Todes wegen verfügen. Das vermögensrechtliche Schicksal des Nießbrauchs bestimmte sich nach der Sukzessionsordnung der Stiftungsurkunde. Der Stifter des Familienfideikommisses konnte zwischen Senioraten, Majoraten, Minoraten und Primogenituren wählen. Das Gut Wilknitt war als Majorat gestiftet, stand damit in der Erbfolge dem Ältesten zu.

 

Um einerseits die Versorgungsfunktion der Familienfideikommisse aufrecht zu erhalten, musste das gebundene Vermögen einen Mindestertrag abwerfen. Um anderseits dem wirtschaftlichen Verkehr nicht zu viel Vermögen zu entziehen, war der Ertrag aber auf eine Höchstgrenze beschränkt.

 

Durch das preußische Edikt (9. Oktober 1807) wurde eine Auflösung eines Familienfideikommisses durch Familienbeschluss zugelassen. Dadurch konnte die Familie die Anordnungen, welche der Stifter des Familienfideikommisses nachfolgenden Generationen gegeben hatte, aufheben. In den durch Napoleon I. besetzten deutschen Landesteilen wurde das Familienfideikommiss gänzlich abgeschafft oder stark eingeschränkt. Seit dem Wiener Kongress sind aber Familienfideikommisse auch dort wieder zugelassen worden.

 

Im 19. Jahrhundert gerieten die Familienfideikommisse in die Kritik, weil sie, wegen der sie betreffenden Verfügungsverbote, nicht am Güteraustausch teilhaben konnten und damit das Wachstum des Sozialproduktes bremsten. Da sie auch einem Belastungsverbot unterlagen, konnten sie ebenfalls nicht als Realkreditsicherheiten eingesetzt werden. Auch behinderte das Belastungsverbot die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit. Ferner wurden die Familienfideikommisse als Sonderrecht des Adels kritisiert. Zudem wurden die Familienfideikommisse auch hinsichtlich der Eigentumsfreiheit als eine zu starke Einschränkung empfunden.

 

Die Familienfideikommisse entwickelten sich aus testamentarischen Anordnungen, die Teilungs- und Veräußerungsverbote enthielten. Die Rechtsgültigkeit solcher Anordnungen wurde aus dem römischen Recht abgeleitet. Seit nicht nur altadelige Familien den Nachlass betreffende Teilungs- und Veräußerungsverbote aussprechen konnten, entstanden neben den Stammgütern die Familienfideikommisse.

 

Bereits die Paulskirchenverfassung von 1848 forderte die Auflösung der Familienfideikommisse. Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (1. Januar 1900) wurde im deutschen Kaiserreich die bürgerliche Rechtseinheit eingeführt. Nach Art. 59 blieben das Recht der Bundesstaaten über die Familienfideikommisse unberührt. Seit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung setzte man sich die Abwicklung des gebundenen Vermögens erneut als Ziel.

 

1938 wurden die bis heute gültigen Bereinigungsvorschriften erlassen. Das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (6. Juli 1938) und der Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (20. März 1939) regelten das weitere Schicksal der gebundenen Vermögen. Heute gilt der Auflösungsprozess soweit als abgeschlossen.